4. Pilgerwoche - Kleines Fazit und Statistiken
Meine heutige Mischung aus Ruhetag und Kurzetappe endete gegen 15 Uhr in einem Ferienobjekt mit dem Namen IMI Stolen. Es befindet sich ein kleines Stück abseits vom Olavsweg so etwa 3,8 Km nördlich von Oppdal. Hierhin bin ich mit der Bahn gefahren und das letzte Stück gelaufen. Es war etwas irritierend, denn zunächst fuhr ich in entgegengesetzter Fahrtrichtung nach Hjerkinn, um nach zwei Stunden Aufenthalt dort noch einmal in die Dovrebahn zu steigen, die dann in Richtung Trondheim fuhr. Toll waren die Bahnhöfe, die von Weitem aussahen, wie bei der Modelleisenbahn.
Damit habe ich die beiden letzten schweren Dovrefjell Etappen übersprungen. Ich habe für mich inzwischen das Motto festgelegt: "Ankommen geht vor Durchhalten" und man lernt bei so einer langen Wanderung ganz gut, in den eigenen Körper hineinzuhorchen und die Signale auch der Seele wahrzunehmen. Da steht jetzt im Vordergrund, für den Endspurt auf Trondheim zu, die Kräfte zu bündeln. Die Etappen, die jetzt vor mir liegen, sind so alle ziemlich lang, immer so um die 20-22 Kilometer, aber das Höhenprofil ist nicht mehr ganz so hart.
Ich habe mir gerade mal die Mühe gemacht, die Daten von der letzten Wanderwoche auszuwerten.
Ich bin 105 Kilometer gelaufen, habe dabei 1705 Höhenmeter bergauf überwunden und bin insgesamt laut Schrittzähler in der Woche knapp 120 Kilometer insgesamt auf den Beinen gewesen.
In der letzten Woche muss ich dann ungefähr 140 Kilometer schaffen. Das wird nicht leicht. Aber da ich fast ausschließlich in Selbstversorgerherbergen übernachten werde, kann ich auch früher loslaufen und habe über den Tag mehr Zeit für die Distanz.
Es gibt nicht viel Alternativen zu den Etappen, denn das Netz an Herbergen ist auch hier im Norden stark ausgedünnt im Vergleich zu dem in meinem Pilgerführer.
Von den Pilgerbegleitern der letzten Tage musste ich heute Abschied nehmen. Mareike, eine junge Holländerin, fuhr mit mir zusammen nach Oppdal, aber übernachtet woanders. Vielleicht treffe ich sie nochmal unterwegs irgendwo. Peter, mein Kollege, hat auch in Kongsvold übernachtet und ihn werde ich vielleicht morgen in der Herberge wiedertreffen. Annette, die die Pilgertour in einem Reisebüro mit Gepäcktransport gebucht hat, hat auch andere Herbergen als ich geordert. So werde ich morgen wieder allein unterwegs sein. Es geht über 20 Kilometer dann ziemlich unspektakulär auf Straßen und Waldwegen nach Haeverstølen.
Mir gefällt an der Pilgerei diese schöne Mischung aus Zeit mit sich und seinen Gedanken (oder auch ohne Gedanken) alleine, aber eben auch der Möglichkeit, mit anderen Pilgern ein Stück Weggemeinschaft zu haben. Zu trösten und getröstet zu werden. Das geht bis in die Facebookgruppe über den Pilgerweg hinein, in der diejenigen, die so langsam in die Zielkurve einbiegen, die nach vier Tagen völlig Entkräfteten aufbauen und ermutigen.
Meine Erfahrung ist, dass es beides braucht, einen verantwortlichen Blick auf die eigenen Kräfte, aber auch ein Vertrauen darauf, einfach loszugehen und darauf zu vertrauen, dass die Füße dich bis zum Ziel tragen und dir die dafür notwendige Kraft geschenkt wird.
Es sind total unterschiedliche Menschen, die man hier trifft. Auch das macht den Reiz einer Pilgerwanderung aus.
Man geht ein Stück miteinander, trennt sich um sich dann irgendwo wieder zu begegnen. Eine ältere Dame aus der Schweiz, die ich in Fokstugu traf, hatte vorgestern eine Hütte in den Bergen für die Übernachtung gebucht und ist gestern auf den Snøhetta gestiegen, den kleinen Gletscher und höchsten Berg im Dovrefjell. Sie traf ich heute beim Aufenthalt in Hjerkinn wieder und sie berichtete ganz erfüllt von den Moschusochsen, die sie auf ihrer Tour beobachten und fotografieren konnte und von dem architektonischen Meisterwerk des Snøhetta Viewpoints, den sie auch besucht hatte.
Bei manchen Pilgern sind es persönliche Schicksalsschläge, die sie auf diesen Weg geführt haben, andere suchen die Ruhe und Einsamkeit, einen neuen Zugang zu sich selbst, wieder andere die sportliche Herausforderung oder lieben einfach das unterwegs sein in der Natur. Mir persönlich hat zuletzt im Dovrefjell vor Allem die Ruhe gut getan. Sonst ist der Verkehrslärm der allgegenwärtigen E6 oft ziemlich nervig.
Was mich in den letzten Wochen sehr berührt hat, sind die vielen Signale aus der Heimat von Menschen, die mich ein Stück auf dem Weg begleiten und hier immer wieder einmal hineinschauen. Von meiner Familie aber auch von vielen lieben Menschen habe ich immer wieder mutmachende Worte gesagt oder geschrieben bekommen.
Die ermutigenden Kommentare und Nachrichten auch hier im Blog haben mich sehr angerührt. Mancher wird vielleicht auf persönliche Nachrichten von mir warten. Das kann ich verstehen, aber das ist einfach nicht zu leisten. Dieser Blog ist sozusagen bis auf die familiären Drähte, der einzige Kanal, auf dem ich von hier aus funke. Ich hoffe, das nimmt mir niemand übel.
Ich habe mich mittlerweile an die Pilgerroutinen gewöhnt, den eher einfach strukturierten Tagesablauf, die einfachen Mahlzeiten und ziemlich ungesunden Snacks zwischendurch. Nur an den Geruch, der aus meinen Schuhen kommt, werde ich mich nie gewöhnen, das ist echt heavy. Inzwischen verstehe ich, dass in den meisten Herbergen die Schuhe draussen bleiben müssen.
Obwohl mir einige erfahrene Wanderer gesagt haben, ich soll meine Strümpfe auf keinen Fall waschen, geht das garnicht anders. Alle zwei Tage muss das einfach sein. Blasenprobleme habe ich an den Füßen ja bisher nicht und auch keine Schmerzen.
Gerade in den letzten Tagen habe ich noch einmal die einzigartige Landschaft hier in Norwegen genossen, auch wenn das zu bewandernde Geläuf alles andere als einfach war. Nun bin ich gespannt auf das Drivatal und all die neuen Landschaftsformationen auf den letzten knapp 150 Kilometern bis nach Trondheim.
Hier noch ein Blick in mein heutiges "Reich"...
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